Redeangst ist zusammen mit Lampenfieber und der Furcht vor einem Blackout eine der häufigsten Blockaden bei einem Vortrag. Kommt Ihnen das bekannt vor?
Haben Sie auch schon Tage vorher schlaflose Nächte und im Moment des Vortrags sind Sie fürchterlich aufgeregt und können keinen klaren Gedanken fassen?
„Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert bis zu dem Zeitpunkt, wo du aufstehst, um eine Rede zu halten.“
Mark Twain
Die Bühne ist ein gemeiner Ort, eine Herausforderung für wirklich jeden! Das ist so, weil niemand die eigene Wirkung auf das Publikum sicher voraussagen kann - und das verursacht Angst:
"Wenn ich jetzt nicht super performe, werden mich die Zuhörer hassen oder - noch schlimmer - langweilig finden!"
Gegen Redeangst und Co. hilft eine solide Vorbereitung - sowohl des Vortrags als auch des Vortragenden. Umfassende Strategien und Techniken findet man im Internet dazu nur schwer. Das möchte ich mit diesem Blogbeitrag ändern.
“Ich hatte gehofft, dass es einfach nicht stattfindet. Aber dann war irgendwann klar, der Kongress wird nicht abgesagt, aus der Nummer komme ich nicht mehr raus…”
Das dachte Tanja Lenke, Gründerin von she-preneur. Sie schrieb eine panische E-Mail... und holte sich Hilfe. Von mir. Sie stand auf der Speaker-Liste für die Social Media Marketing Days Ende 2019 in Köln, fühlte sich mit dem unweigerlich heranrückenden Termin zusehends unwohler und verspürte große Redeangst.
Nach ihrem erfolgreichen Auftritt hat sie mich in Ihrem Podcast zu häufigen Fehlern, hilfreichen Techniken und eben dieser Redeangst interviewt. Tanjas Zitate stammen aus diesem Gespräch.
Hier können Sie die Podcast-Folge hören:
Nr. 016 - Wie du Vorträge unterhaltsamer gestaltest - Gespräch mit Speaker Coach Matthias Messmer
"Ich bin einfach kein Bühnenmensch!"
Tanja und ich hatten uns im Mai 2019 bei der Elopage-Konferenz EPX19 kennengelernt. Ich war dort, weil ich der bekannten Online-Marketing-Expertin Sandra Holze dabei geholfen hatte, sowohl sich als auch den Vortrag für die Konferenz vorzubereiten.
Der Vortrag war “unheimlich gut, lustig und mitreißend” und “viele haben große Augen gemacht”, weil sie Sandra so noch nie erlebt hätten, war Tanjas Eindruck.
Sandra hatte zwar keine so große Redeangst wie ihre Kollegin Tanja, aber ihr war schon klar, dass sie ohne die richtige Vorbereitung neben all den Profi-Speakern ziemlich “abkacken” würde - wie sie es ausdrückte.
Im Fall von Tanja war der Konkurrenzdruck zwar nicht so groß, aber ihre Redeangst um so größer. Deswegen ihre E-Mail an mich. Eine schnelle Lösung war gefragt, denn viel Zeit war nicht mehr.
Tanjas größte Befürchtung war, dass sich die Leute bei ihrem Vortrag langweilen und einfach abschalten. Sie wollte nicht nur erzählen und erzählen, sondern eine emotionale Story mitbringen und treffende Beispiele. Damit es Spaß macht, ihr zuzuhören und die Zuschauer am Ende auch etwas mitnehmen und bloß nicht denken: “Diese Tanja war aber langweilig”.
Die drei häufigsten Ursachen der Redeangst sind:
Logophobie – das ist der Fachausdruck für Redeangst – gehört zu den sozialen Ängsten, denn die Wurzel der Redeangst ist die Angst vor sozialer Ablehnung. Diese erzeugt ein Gefühl der Panik, so dass es unmöglich erscheint, zu sprechen oder überhaupt vor eine Gruppe von Menschen zu stehen.
Dagegen hilft neben den weiter unten erläuterten Techniken eine mentale Vorbereitung:
Halten Sie sich vor Augen, dass Sie mit Ihrer Redeangst nicht allein sind. So ziemlich alle Menschen leiden in solchen und ähnlichen Situationen unter Lampenfieber und rund 40 Prozent haben regelrecht Angst, öffentlich zu sprechen. Sie befinden sich also in bester Gesellschaft und ein Großteil Ihrer Zuhörer wird Ihre innere Aufgeregtheit verstehen.
Wenn Sie Ihre Redeangst überwinden wollen, dann überlegen Sie doch mal, wo diese Angst bei Ihnen konkret herkommt. Gibt es ein auslösendes Ereignis? Verdrängen Sie Ihre Redeangst nicht, sondern stellen Sie sich dieser. Hier hilft es, sich vorzustellen, was im schlimmsten Fall passieren könnte. Was wäre Ihr Worst Case Szenario? Beispielsweise, dass Sie den Faden verlieren oder einem Teil des Publikums Ihr Vortrag nicht gefällt. Reicht das als Grund für Ihre Redeangst?
Ihre Körperhaltung hat Einfluss darauf, wie Sie sich fühlen. Stellen Sie sich sicher und aufrecht - auf beide Beine. Auch wenn Sie sich dadurch angreifbarer fühlen: Machen Sie sich auf der Bühne nicht klein. Viele Redner, gerne auch Rednerinnen, verlagern das Gewicht auf ein Bein und stellen das andere Bein überkreuzt davor. Dann genügt schon eine Kleinigkeit, um Sie aus dem Gleichgewicht zu bringen - auch im übertragenen Sinn. Darum stehen Sie besser zu Ihrem Standpunkt.
Suchen Sie, wann immer es möglich ist, Blickkontakt mit dem Publikum - gern mit einer oder mehreren Personen, die Ihnen wohlgesonnen und sympathisch erscheinen. Nach einiger Zeit realisieren Sie, dass diese Personen Sie nicht töten werden, sondern Ihnen aufmerksam zuhören, sogar lächeln und zunicken. Wenn das nicht gegen Redeangst hilft...
Dass Sie diesen Zuschauern in die Augen schauen, “liest” das restliche Publikum und nimmt Sie als selbstbewusst und kompetent wahr.
Aus diesem Blickkontakt entsteht genau der Dialog, den ich weiter unten beschreibe. Er nimmt Ihnen den letzten Rest der Redeangst. Denn auf einmal ist die Situation nicht mehr EINER GEGEN ALLE.
Die richtige Energie auf der Bühne ist das beste Mittel gegen Redeangst. Die Kunst dabei ist allerdings, auf einem ganz bestimmten Energie-Level zu agieren. Denn wenn wir zu wenig Energie aufbringen, wird uns keiner zuhören. Wir reden nur mit uns selbst und spüren, dass wir die Zuschauer nicht erreichen, wir verhaspeln uns und fallen in uns zusammen. Genau das waren Tanjas Sorgen.
Wenn wir aber zu hoch pegeln, schießen wir übers Ziel hinaus, dann reden wir zu schnell und zu laut, die Stimme rutscht hoch, wir gestikulieren zu viel und laufen ständig auf und ab. Mit dieser Energie werden alle im wahrsten Sinne des Wortes überrannt. Das erleben wir ganz häufig auch bei einem Online-Meeting oder Webinar.
Ein wichtiger Gradmesser um das richtige Energie-Level für sich zu finden sind die “3 Kreise der Energie”:
Stellen Sie sich von Ihrem Standort auf der Bühne aus den Raum bis zur 1. Zuschauerreihe als den 1. Kreis vor. Dann sind Sie auf einem Energielevel als schrieben Sie eine E-Mail und sprächen dabei zu Ihrem Rechner. Die Zuschauer, vor allem jenseits der 1. Reihe, erreichen Sie auf diesem Energielevel nicht.
Im 3. Energiekreis senden Sie hingegen, wenn Sie so laut und energetisch sind, dass Sie über die Köpfe hinweg sprechen. So wie im Fußballstadion, wo man von der Tribüne aus einen Spieler oder den Schiedsrichter erreichen will ;-)
Sie haben es wahrscheinlich schon erraten, bei Vorträgen ist der 2. Energiekreis der angemessene: So erreichen Sie das Publikum als Gesamtheit. Das Senden in diesen 2. Energiekreis ist eben keine Frage der Lautstärke, sondern der richtigen Energie, des Fokus und dem Draht, den Sie zu den Menschen entwickeln.
Patsy Rodenberg erklärt das sehr schön auf YouTube, sie ist eine bekannte britische Schauspiellehrerin und sie beschreibt das Prinzip der “3 Circles of Energy”.
Das Wissen um diese drei Energiekreise gibt Ihnen einen Gradmesser, wieviel Energie Sie auf der Bühne tatsächlich aufbringen sollten. Und das gibt Ihnen auch Sicherheit bei Redeangst.
Eine hervorragende Übung gegen Redeangst ist auch das "Sprech-Denken" von Vera Birkenbihl, das “Verfertigen der Gedanken beim Reden” - wie Heinrich von Kleist es auch nannte. In meinem Blogbeitrag “Reden lernt man durch reden” beschreibe ich diese Technik. Dabei halten Sie eine unvorbereitete Rede vor wohlgesonnen Zuhörern oder Freunden. Keine Angst, die Rede muss nur eine Minute lang sein.
Sprechen Sie Ihre Gedanken einfach laut aus und halten Sie einen Mini-Vortrag. Selbst wenn Sie dabei nur Unsinn reden, es wird Ihnen helfen, Ihre Redeangst zu überwinden. Am besten Sie machen das mit Ihren Freunden reihum. Dabei entstehen witzige Reden und Sie lernen in diesem vertrauten Kreis, dass Sie “nicht auf den Mund gefallen sind” und auch vor Publikum improvisieren können.
Merke: Souverän auf der Bühne zu sein, bedeutet offen und humorvoll mit Pannen und Hängern umzugehen!
Eine weitere Ursache für Redeangst sind überzogene Ansprüche. Viele Redner denken, sie müssen eine große Show abziehen und die Zuhörer bestens unterhalten und ständig zum Lachen bringen. Das müssen Sie nicht! Sie stehen wahrscheinlich als Experte für ein bestimmtes Thema auf der Bühne. Um diese Expertise zu hören, sitzen die Zuschauer vor Ihnen.
Allerdings müssen sich die Zuschauer angesprochen und miteinbezogen fühlen. Hier kommt Ihnen Ihre Vorbereitung zugute (siehe weiter unten), denn Sie wissen ja, wer da ganz konkret vor Ihnen sitzt...
… und wenn Sie das in der Vorbereitung nicht konkret ermitteln konnten, erfahren Sie es spätestens während des Auftritts. Darum beziehen Sie Ihre Zuschauer direkt mit ein. Dabei lernen Sie weit mehr, als in jeder Recherche im Vorfeld möglich ist. Außerdem wird Sie der Dialog entspannen und Ihre Redeangst mindern.
Der Speaker, Moderator und Autor Ralf Schmitt, den ich seit Jahren bei seinen Vorträgen begleite, nutzt auch als Redner seine Erfahrung aus dem Improtheater.
Feedback holt er sich ganz spielerisch. Er fragt die Leute beispielsweise: “Wer hat schon mal XYZ erlebt? Bitte Hand heben.”, “Wer kennt das nicht? Bitte Hand heben.”, “Und wer hat die Frage nicht verstanden? Hand heben.” “Und wer will nicht ständig die Hand heben?” Da merken die Zuschauer, der hat Selbstironie, der hat Humor und das lockert auf. Feedback einholen ist ein super Tool.
Fordern Sie Ihre Zuschauer auf, sich kurz mit dem Sitznachbarn auszutauschen, was seine größte Herausforderung war bei XYZ. Anhand der Reaktionen können Sie viel über Ihr Publikum erfahren. Ist es überfordert oder entstehen wilde Diskussionen? Auch hier richten Sie Ihren Fokus weg von der Redeangst.
Wichtig ist, diese Publikumsaktionen gut zu steuern und einzubinden. Das erreicht man, indem man die Zuhörer fragt, was sie erfahren haben und ob das gut/interessant/schockierend/etc war. Die Antwort(en) können Sie gleich als Überleitung nutzen. Fragen Sie nicht nach, wird es zum Selbstzweck und das Publikum wundert sich, wofür das jetzt gut gewesen sein soll.
Alle diese Techniken haben den schönen Effekt, dass Sie für Momente nicht im Fokus des Publikums stehen. Das schafft eine enorme Entlastung und mildert Ihre Redeangst. Spätestens wenn die Zuschauer miteinander reden, können Sie einmal tief durchatmen.
Damit durchbrechen Sie auch die innere Erwartung, dass Sie die ganze Zeit Inhalte liefern müssen. Bei einem Auftritt geht es auch um das gemeinsame Erlebnis. Das hat meist mehr Unterhaltungswert als ZDF - Zahlen, Daten, Fakten.
Außerdem erfahren Sie bei der Interaktion eine Menge über die Stimmung im Publikum. Und Sie stellen fest, dass die oft besser ist, als Sie gedacht haben.
Wie bei den meisten Dingen im Leben verschwindet die Redeangst am Ende durch viel Übung bzw. durch viele gute Erfahrungen.
Ihre Redeangst hat Tanja im ersten Schritt mit einer guten Struktur und Dramaturgie besiegt. Schon beim ersten Treffen hatten wir sehr schnell einen roten Faden für ihren Vortrag. Der war “super gut durchdacht” und das hat ihr bei ihrem Auftritt Sicherheit gegeben, mit Ruhe und vor allem mit dem Publikum zu sprechen.
Wer mich kennt, weiß, dass das eines meiner Mantras ist:
“Sprechen Sie nicht vor, sondern mit Ihrem Publikum!”
Der wichtigste Punkt bei der Vortragsvorbereitung ist zu wissen, wer da eigentlich mit welcher Erwartung vor Ihnen sitzen wird. Wichtige Fragen sind:
Fokussieren Sie sich auf das, was Sie bei diesen Menschen mit Ihrem Vortrag bewirken wollen, und nicht auf Ihre Redeangst.
Da es in diesem Beitrag vor allem um Redeangst gehen soll, verlinke ich hier nur zu meinem kostenlosen Tool DER ROTE FADEN, mit dem Sie leicht zu einem durchdachten, zielgruppenaffinen und mitreißenden Vortrag kommen. Wenn Sie einen roten Faden entwickelt haben, müssen Sie ihn für Ihren Auftritt noch verinnerlichen. Dazu gibt es ein einfaches Werkzeug:
Wie ein Spickzettel zu Schulzeiten geben Moderationskarten bei Redeangst Sicherheit. Denn in dem Sie diese Karten anfertigen (am besten mit Hand schreiben), haben Sie die Struktur Ihres Vortrags klar vor Augen. Jede Karte steht dabei für einen Gedankengang, eine These, eine Story oder Interaktion. Bei guter Vorbereitung benötigen Sie die Karten beim Auftritt oft gar nicht mehr. Sie fühlen sich aber sicherer, weil Sie sie im Notfall griffbereit haben.
Üben, üben, üben!
Schlechte Erfahrungen auf der Bühne, bei einem Webinar oder einer Online-Präsentation steigern die Redeangst oder sind oft deren Ursache. Deshalb vermeiden Sie diese häufigen Fehler:
Wenn Sie nur an sich und Ihren Vortrag denken, dann entsteht keine Verbindung zu den Zuhörern und es passiert genau das, wovor jeder Redner Angst hat: Die Zuhörer langweilen sich und schalten ab.
Sie wenden sich nicht an Ihre Zuschauer und sind nicht im 2. Energiekreis (siehe oben). Sie sind zu leise, Sie bringen zu wenig Energie auf. Die Leute in den hinteren Reihen werden abgehängt. Das Publikum fängt an sich mit den Handys zu beschäftigen oder steht auf und geht. Eine Albtraum-Erfahrung für jeden Redner, die die Redeangst verstärkt.
Viele Redner schauen zwar irgendwie ins Publikum, aber reden nicht mit ihm. Ganz schlimm wird es, wenn jemand aus Angst vor den Zuhörern nur mit seinen Folien oder dem Fußboden kommuniziert. Je länger Sie den Blickkontakt vermeiden, um so mehr Raum schaffen Sie für Ihre Redeangst.
Traurig sind Vorträge bei denen alle Anwesenden zum passiven Zuhörer degradiert werden. Dagegen hilft, die Reaktionen der Zuschauer direkt aufzugreifen: “Ja, Sie lachen jetzt, aber das ist ein ernstes Thema…” - und schon werden die Zuschauer Teil des Vortrags, und aus einem langweiligen Monolog wird ein Dialog mit aktiven Zuhörern.
Viele Menschen haben tatsächlich auch Angst vor der Aufregung, den schlaflosen Nächten und dem Herzrasen, wenn der Auftritt näher kommt. Würden Sie auch dieses lästige Lampenfieber gerne abstellen?
Die schlechte Nachricht ist: Selbst die erfahrensten Schauspieler, Moderatoren und Speaker haben Lampenfieber. Das lässt sich nicht wirklich vermeiden, es gehört einfach dazu. Lernen Sie, nicht in Panik zu geraten, sondern produktiv mit der Aufregung umzugehen.
Denn Lampenfieber - und das ist die gute Nachricht - hat anders als Redeangst einen positiven Effekt: Es bringt uns auf ein höheres Energielevel, das grundsätzlich nötig ist, um auf der Bühne eine überzeugende Präsenz zu entwickeln (siehe die "3 Kreise der Energie" ;-)
Denn mit dem Lampenfieber kommt das Adrenalin ins Spiel, das uns zu Höchstleistungen befähigt: Es steigert unsere Aufmerksamkeit und Konzentration und der Körper wird mit mehr Energie versorgt - wir stehen unter Strom.
Nutzen Sie also diese Spannung, denn Sie hilft Ihnen, die anstehenden Aufgaben zu bewältigen und eine mitreißende Performance abzuliefern.
Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg!
Was sind Ihre Erfahrungen mit Redeangst und Co? Schreiben Sie mir dazu gerne in den Kommentar.
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